eRezept, eAu, Videosprechstunde – Arztpraxen bieten heute viele digitale Dienste an. Dr. Stephan Kochen vom Solinger Praxisnetz solimed erklärt, wie sie den Krankheitsalltag erleichtern, ob Patienten sie zwingend nutzen müssen und was er sich von der Digitalisierung im Gesundheitswesen noch erhofft.
Der Experte zum Thema
Dr. Stephan Kochen
Solinger Praxisnetz solimed
Herr Dr. Kochen, welche digitalen Dienste bieten Arztpraxen an?
Redaktion
Wir arbeiten mit der elektronischen Patientenakte (ePA), der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), dem eArztbrief und dem eRezept. Hinzu kommen die elektronische Terminvergabe und Videosprechstunden. Und natürlich läuft vieles über E-Mail-Kontakt, unter anderem Rezeptbestellungen.
Dr. Stephan Kochen
Eine bedeutsame Neuerung der vergangenen Jahre war die Einführung der eAU. Was hat sich seitdem im Gesundheitssystem verbessert?
Redaktion
Die eAU hat den Grundstein für andere digitale Leistungen gelegt. Ohne die eAU als Türöffner für die Digitalisierung im Gesundheitswesen wäre meines Erachtens die Einführung des eRezeptes chaotischer geworden. Leider haben manche Arbeitgeber aber auch heute noch Probleme, die eAU abzurufen. Und auch viele Patienten bitten um einen Ausdruck.
Dr. Stephan Kochen
Haben viele Ihrer Patienten Sorgen um ihre persönlichen Daten?
Redaktion
Die Mehrzahl der Patienten, mit denen ich dazu Gespräche führe, hat zum Glück wenig Sorgen. In Deutschland haben wir auch einen sehr hohen Sicherheitsstandard. Eine größere Gefahr als der Datenschutz stellt für Patienten ein schlecht informierter Arzt dar.
Dr. Stephan Kochen
Inwiefern?
Redaktion
Ein Arzt, dem wichtige Vorbefunde fehlen, kann einem Patienten nicht gezielt helfen. Und die Patienten selbst kennen die Namen ihrer Medikamente nicht immer. Oder sie erinnern sich an eine Antibiotika-Allergie, wissen aber nicht mehr, gegen welches Medikament. Letzte Woche kam zum Beispiel ein Patient mit einer Thrombose zu mir und ich wollte ihm einen Blutverdünner geben. Der Patient schwor felsenfest, er nähme bisher kein solches Medikament. Nur weil wir bei solimed eine eigene eAkte betreiben, konnte ich seine Medikamentenliste einsehen und erkennen, dass dem doch so war. Dadurch ließ sich eine Fehlbehandlung vermeiden.
Dr. Stephan Kochen
Müssen Patienten die digitalen Dienste zwingend nutzen?
Redaktion
Sie sind nicht verpflichtet, denn das passt nicht zu unserem Anspruch auf individuelle Selbstbestimmung. Im Sinne der Medizin sage ich aber: Ja, sie sollten sie nutzen, denn das verbessert die Qualität der Behandlung enorm. Deshalb plädiere ich auch für eine ePA für alle. Jeder sollte sich dazu ausreichend mit dem Internet, seinem Smartphone oder Tablet auseinandersetzen. Sonst droht eine Abkopplung von wichtigen Hilfsmitteln im Gesundheitswesen.
Dr. Stephan Kochen
Viele nutzen bereits Angebote wie Videosprechstunden oder Therapie-Apps. Geht das bedenkenlos?
Redaktion
Meines Erachtens ja. Mir sind bis dato keine gravierenden Fehler oder andere Vorkommisse bekannt.
Dr. Stephan Kochen
Inwiefern erleichtern diese Angebote den Alltag mit einer Krankheit?
Redaktion
Apps und andere digitale Gesundheitsanwendungen (DIGAs) können die Heilung und Linderung von Symptomen fördern – auch wenn sie in der Breite noch nicht etabliert sind. Bei Rückenschmerzen zum Beispiel unterstützen sie Patienten darin, sich selbst zu behandeln und mit „Gesundheitstraining“ Schmerzen zu verringern. Bei Schlafstörungen können sie den Verbrauch von Schlafmitteln reduzieren. Auch Angebote wie die elektronische Terminvergabe machen das Leben leichter. Patienten hängen nicht so lange in der Telefonwarteschleife, bekommen schneller und unbürokratisch einen Termin.
Dr. Stephan Kochen
Wie wird sich das in Zukunft entwickeln?
Redaktion
Während der Coronapandemie haben wir bemerkt, wie schlecht die Digitalisierung bis dato lief. Viele Informationen waren nicht abrufbar, wir tappten oft im Dunkeln. Für die Zukunft wünsche ich mir zwei Dinge: erstens mehr Nutzerfreundlichkeit. Viele derzeitige Lösungen überfordern sowohl Patienten als auch Praxen und Kliniken. Sie sind umständlich und fressen Zeit. Die Erstellung eines eRezeptes dauert länger als die eines Papierrezepts, das sollte nicht so sein.
Zweitens sollte man bei der Einführung neuer Module oder Techniken die Abläufe gründlicher prüfen und mehr auf Details achten. Bei der Einführung des eRezeptes waren sehr viele Einzelpunkte nicht geklärt. Zum Beispiel ist für Pflegeheimbewohner die Erstellung eines eRezeptes nicht ohne QR-Code möglich, obwohl es gesetzliche Vorgaben gibt, die festlegen, wem ich Rezepte oder QR-Codes zusenden darf. Diese Probleme wurden erst im laufenden Betrieb nach der Einführung geklärt – dabei hatten wir Jahre Zeit zur Vorbereitung.